….. Richter bleiben aber sehr (english version below)
Nach dem zweiten Weltkrieg war es nicht leicht, in Berlin Richter zu finden. Zum einen waren viele als Soldaten im Zweiten Weltkrieg gefallen oder hatten eine Nazi-Vergangenheit, zum anderen war die Bezahlung so miserabel, dass sie für niemanden attraktiv war. Ein Richter verdiente zu der Zeit gerade mal so viel, dass er sich von seinem Monatsgehalt ein Pfund Kaffee hätte leisten können.
Um so erfreuter war Landgerichtspräsident Dr. Löwenthal vom Landgericht Berlin Mitte, als im Herbst 1946 Dr. Josef Franke an seine Tür klopfte und sich um eine Richterstelle bewarb. Der Mann hatte eine prächtige Erscheinung, war 42 Jahre alt, vornehm gekleidet und erweckte mit seiner Nickelbrille und den kurzen Haaren den perfekten Eindruck eines begnadeten Juristen. Nach eidesstattlichen Erklärungen über seine juristische Laufbahn und seine Tätigkeit als Anwalt wurde man sich schnell handelseinig. Dr. Franke wurde zum Amtsgerichtsrat und zum Vernehmungs- und Schnellrichter bestellt.
Und wie sich sofort herausstellte, hatte man eine gute Wahl getroffen. Dr. Franke gehörte zu den eifrigsten Beamten am Amtsgericht. Jeden Abend nahm er Akten mit nach Hause, um unerledigte Vorgänge voran zu treiben. Aber was noch viel wichtiger für seinen Ruf war: seine Urteile hatten Bestand vor den Berufungsgerichten und wurden nur ganz selten revidiert. Der Grund waren seine profunden juristischen Kenntnisse, die in seine Urteile einflossen. Die Berliner Presse jubelte fast täglich über seine Richtersprüche und lobte deren Weisheit und moralische Tiefe.
Wer so im Mittelpunkt des Erfolges steht, hat natürlich immer auch Neider. Frankes Kollege, der Schöffenrichter Dr. Krüger, fällte viele Urteile, welche in der Revision wieder aufgehoben wurden. Er war daher voller Missgunst gegenüber seinem Kollegen.
Innerhalb von etwas mehr als einem Jahr fällte Dr. Franke über 7000 Urteile und verhängte mehrere hundert Jahre Zuchthaus und Gefängnis, bis er seine steile Kariere in Gefahr brachte. Wegen einer Frau. Die hieß Doris Chrys, war Untersuchungsgefangene und des Verbrechens gegen die Menschlichkeit angeklagt. Offensichtlich war der Richter so von der Dame angetan, dass er sie umgehend aus der Untersuchungshaft entließ. Er bot ihr an, die Vernehmungen nun in seiner Privatwohnung fortzusetzen. Darauf ging Frau Chrys zunächst ein. Aber als der Richter sie dann im Schlafanzug empfing und eindeutige Angebote machte, machte sie sich aus dem Staube. Offensichtlich hatte sie Angst, dass hier nicht ihre Unschuld festgestellt, sondern wohl eher geraubt werden sollte.
Frau Chrys zeigte Dr. Franke an. Die Polizei riet ihr, noch einmal auf das Angebot einzugehen, damit man den Richter auf frischer Tat ertappen könne. Gesagt – getan. Kurze Zeit später nahm die Polizei den Richter wegen Begünstigung einer Angeklagten fest.
Jetzt war die Zeit gekommen, sich mit den Personalien des Dr. Franke genauer zu beschäftigen. Dabei stellte sich heraus, dass bereits vier Monate vor Frankes Vereidigung dem Gericht ein hessischer Strafbefehl vorlag. In Hessen war Dr. Franke im Ministerium für Wiederaufbau tätig und dort straffällig geworden. Danach hatte er sich schleunigst nach Berlin abgesetzt. Aber das war längst nicht alles. Vorher war Dr. Franke als Regierungsrat in Thüringen tätig gewesen, bis er aufflog. Insgesamt war er seit seinem 22. Lebensjahr insgesamt über 14 Jahre wegen verschiedener Straftaten in Zuchthäusern und Gefängnissen eingesessen. Die Akten über seine Straftaten füllten acht Bände. Seine juristischen Kenntnisse hatte er sich nicht auf der Universität, sondern offensichtlich im Gerichtssaal als ewig Beschuldigter angeeignet.
Franke wurde aufgrund der ihm zur Last gelegten Beschuldigungen umgehend in ein Gefängnis verbracht. Dort traf er auf eine Reihe von ihm verurteilter Gefangener. Die waren darüber hoch erfreut und verprügelten ihn nach Strich und Faden. Weil er befürchtete, im Gefängnis zu Tode zu kommen, stellte er einen Antrag auf Haftentlassung. Dem wurde nicht statt gegeben.
Der Berliner Justiz war der gesamte Vorfall überaus peinlich. 14 Monate hatte ein Schlosser über 7000 Urteile gefällt, überwiegend mit verheerenden Folgen für die Beschuldigten. Waren diese Urteile nun gültig, oder mussten alle neu aufgerollt werden? Die Berufungs-instanzen entschieden: ja, alle Urteile sind gültig, da Franke ordnungsgemäß bestellt worden sei.
Was passierte mit Franke? Ihm wurde der Prozess gemacht und ausgerechnet sein ärgster Widersacher war Vorsitzender des Gerichts. Der war zwar inzwischen nicht wesentlich erfolgreicher, hatte aber die Gunst der Stunde zu nutzen gewusst. Mittlerweile war nämlich die Gerichtsbarkeit in Ost und West geteilt. Das Amtsgericht Mitte gehörte zum Osten. Der ehemalige Schöffenrichter Dr. Krüger war in Windeseile ein überzeugter Kommunist geworden. Damit stand seiner Karriere nichts mehr im Wege. Im Laufe der Ermittlungen sammelte der Staatsanwalt alle Beweise seiner Taten und füllte damit laut damaligem Spiegel „eine lexikondicke Anklageschrift“. Insgesamt habe Franke gegen 17 Paragrafen des Strafgesetzbesuches verstoßen.
Der Prozess dauerte drei Tage. Letztendlich blieben aber nur vier Straftatbestände übrig: Erschleichung eines Richterpostens, zwei ungesühnte Verbrechen aus der Vergangenheit, Bigamie und die Begünstigung einer Angeklagten. Das Urteil: vier Jahre Zuchthaus.
Was aus Richter Franke geworden ist? Nach seiner Haftentlassung verliert sich seine Spur.
… but to keep the job can be difficult
It was 1946, shortly after Worldwar II in Berlin. Crime increased, but there were only few judges. Many of the old ones died during the war or had a Nazi-history. Low payments made the job completely unattractive. A judge´s monthly salary was as much as a pound of coffee costs at that time.
The president of the Landgericht Berlin was more than happy, when Dr. Franke knocked at his door and applied for a job as a judge. He had an elegant suite on and was slim and sophisticated looking. In one sentence: he looked like the right person for the job. After the formal procedure Dr. Franke got the job on the spot. Already after a short while it was absolutely clear, that he was the right person for the difficult job. Dr. Franke was the most busiest official at the court. Every evening you could see him taking piles of files home to bring open cases to a quick judgement. But most important was the factor, that almost all his cases were final after first judgement, what made the cases very efficient, because they were based upon deep and professional knowledge of law. The Berlin press was impressed about his fair judgements, based upon moral and justice. His collegue Dr. Krüger, a lazy and unefficient judge was jealous about Franke´s success and became his greatest opponent.
Within 14 months Dr. Franke decided more than 7000 cases and sentenced criminals to a couple of hundred years of prison in total. As in many other cases successful people kill their glory, when an attractive women appears on the stage. In Franke´s case this woman was Doris Chrys. She was accused of crimes gainst humanity. Dr. Franke released her from prison and told her, that her case could be better finalized in the privacy of his appartment. When she came to visit him, she found him opening the door only with his pyjamas on. She was so afraid, that her innocence should not be proved, but taken away, that she escaped from the place and went to the police the same day.
The officers adviced her, to visit Dr. Franke again, so that the Police could arrest him in flagrante. Some days later the police put Dr. Franke into jail because of aiding a suspect. This was just he beginning of a big disgrace. The court was now forced to find out, who Dr. Franke really was, where he came from and if he committed any other crimes. Very soon it was clear, that his extensive knowledge of law was not a result of intensive studies at the University. Much more he learned that at many judgements against himself in the courtroom. After he was 22 years old he was sentenced to a total of 14 years of prison. The court files filled up eight folders.
The whole case was very embarrassing for the Berlin court of justice. One question was very important: what is going to happen with the more than 7000 judgements? Are they valid? The final court of appeal answered: yes, because the nomination of Dr. Franke was formally correct.
What happened to Franke? His greatest opponent, Dr. Krüger, had to judge the case. Krüger did not become more efficient meanwhile, but this was not a major requirement any more. He became a 100% convinced member of the Socialist Party and was therefore supported by the government. Dr. Krüger accused Franke of 17 different subjects. But due to Franke´s good legal knowledge was only punished for four of them. Franke had to sit in prison for four years. After he was released his name didn´t appear in the newspapers any more.