Ewa Niewmierzycka

english Version below

Heute ist der 1. Advent. Da spielt Ewa aus der Ukraine auf dem U-Bahnhof Kurfürstendamm. Dazu schaltet sie ihren billigen CD-Spieler an, und leicht krächzend ertönt die Begleitmusik. Ewa wartet konzentriert auf ihren Einsatz, hebt die Violine auf die Schulter, legt den Bogen an und spielt. Sie macht es, wie sie es jahrelang im Konzertsaal gemacht hat. Heute ist ihre Bühne der U-Bahn-Tunnel. Die Zuhörer lauschen selten ihrem Spiel, sitzen nicht vor ihr, sondern hasten auf dem Weg nach Hause an ihr vorbei. Es gibt selten Applaus, wenn sie fertig ist. Sie muss sich auch nicht mehr verbeugen. In ihrer Heimat war das anders. Da gab sie nach ihrem Musikstudium viele Konzerte in ihrem schönen langen schwarzen Abendkleid vor vollen Konzertsälen. Das ist lange her. In ihrer Heimat, der Ukraine, ist Krieg. Dort hört man Schüsse und Bomben. Die Menschen gehen nicht mehr zum Konzert. Es gibt keine Arbeit mehr für Ewa.
Jetzt kommt sie für sechs Monate nach Berlin. Sie erhofft sich, den Lebensunterhalt für sich und ihre zwei Kinder, die zuhause geblieben sind, zu verdienen. Länger gilt ihr Visum nicht. Dann muss sie wieder zurück. Sie ist schon drei Monate in Berlin. Im Winter ist es hier nicht so kalt wie in ihrer Heimat. Sie hat ihren alten Pelzmantel mitgenommen. Der schützt sie vor dem eisigen Zug in der Halle, ist aber auch hinderlich beim Spielen. Man merkt es aber nicht. Ihr Programm hat sie dem Publikum angepasst. Die Stücke müssen jedem gefallen und in kurzer Zeit Aufmerksamkeit erreichen. Ihr Repertoire reicht von Mozart und Haydn, dem Ave Maria bis zu My Way, Sweet Georgia Brown und Rosamunde. Nur selten bleibt jemand stehen für einen kurzen Augenblick. Oft sind es die, die selbst kein Geld haben und die kostenlose Darbietung genießen. Wenn Ewa großes Glück hat, kauft jemand ihre CD für sieben Euro oder schmeißt ein paar Münzen in den Violinkasten.
Heute ist es besonders schlecht. Am Bahnhof Kurfürstendamm steigen viele nach dem Besuch der Weihnachtsmärkte oder des Stadtbummels um. Wenn sie die U-Bahn hören, rasen sie auf den Bahnsteig, um den Anschluss nicht zu verpassen. Da bleibt die Barmherzigkeit auf der Strecke. Der Kunstgenuss sowieso.
Aber Ewa kann sich ihren Platz nicht aussuchen. Den vergibt das Ordnungsamt jeweils für eine Woche im voraus. Dazu muss sie sich rechtzeitig im Amt melden. Heute ist es also der Kurfürstendamm, morgen der Alexanderplatz. Da ist es besser, denn die Leute steigen dort ein oder aus. Sie spielt direkt neben dem Bahnsteig, und die Menschen haben ein wenig mehr Zeit, wenn ihr Zug erst in ein paar Minuten kommt.

Heute werden die Einnahmen kaum für das Abendessen reichen, wenn nicht doch jemand eine CD erwirbt. Dabei muss sie auch noch für die Miete ihres kleinen Zimmers und ihre Kinder in der Ukraine etwas zurücklegen. Ihr Spiel ist die einzige Möglichkeit, zu etwas Geld zu kommen. Arbeiten darf sie nicht und betteln will sie nicht. Für das Geld, das man ihr gibt, möchte sie den Menschen etwas zurückgeben. Das, was sie jahrelang erlernt hat. Ihre Musik. Aber das ist schwer genug. Auch gegen die große Konkurrenz anderer Musikanten mit einem ähnlichen Schicksal. Wer ein Talent hat, versucht es im Westen. Und alle wollen im Winter im U-Bahnhof spielen. Da gibt es ein Dach über dem Kopf, wo man gegen Regen und Kälte leidlich geschützt ist.
Ewa wirft einen Blick auf die Münzen ihrem Kasten. Sie sieht, dass es noch nicht reicht. Also muss sie noch eine Weile hier bleiben und weitermachen. Sie schaltet ihren Rekorder ein, wartet auf den Einsatz, hebt die Violine auf die Schulter, legt den Bogen an und spielt…..

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It is a sunday in Berlin, four weeks to Christmas. Today Ewa Niewmierzycka plays at the subway station Kurfürstendamm. She switches on her old CD player and the music starts. Ewa waits concentrated for the entry of her instrument, puts the violine on her shoulder, lifts the fiddelstick and starts to play. She does it in the same way as years before in the concerthalls. But now her concerthall is the subway tunnel. Her audience is not sitting in front of her, but rushing to fetch the next train to get home. There ist almost no applause and she does not have to bow after her performance. That was different years ago. After her studies of music she was invited by many agents to play. She performed in her wonderful long black evening gown in front of many people. These times have past. There is war in her home country, the Ukraine. People escape from gunfire and bomb attacks. Nobody has the patience and the money to attend a classical concert.

She came to Berlin, hoping  to make some money and left her two kids behind. Her visa allows her to stay for six month, but not to work. She came three months ago and will stay over the winter. Berlin is not as cold as her hometown. She brought her old fur coat to protect herself against the cold wind in the tunnel. Ewa designed her programme for the taste of the people in hurry. Short pieces, which everybody knows. Her repertoire goes from Mozart and Haendel to the Ave Maria, My Way, Sweet Georgia Brown and Rosamunde.  Not often can she find a small audience, listing to her performance. If so, mostly the poor people with unlimited time stand around, but spend nothing. If Ewa is really lucky, she can sell one of her CD´s for seven Euro or find some coins in her violin case. At Kurfürstendamm most of the people change trains with limited transfer times. They have no patience to stop and listen. Speed before charity and enjoyment of art.

But Ewa cannot choose the place to perform. She is in competion with all the other artists from foreign countries, who want to make a little income. The regulatory  office of Berlin decides her places on a weekly basis to make it fair for everybody. Today it´s Kurfürstendamm, tomorrow Alexanderplatz -a challenge. Many People enter or leave at this station. The place is near-by the platform. People have more time to listen. And it is a little warmer there with the warm wind, coming out of the overheated subway cars.

Today her income will not pay for a dinner so far, if she cannot sell one CD at least, not to think about her rent for the small appartment and some extra money for her people at home. As playing the violine is her only chance to make some money, she has to extend her work by some hours and hope. She switches on her old CD Player again, waits for the music to start, puts the violine on her shoulder, lift the fiddelstick and starts to play………

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