Mehr Wald geht fast nicht in Berlin. Der Stadtteil misst etwa drei Quadratkilometer. Davon ist fast ein Drittel mit Wald bedeckt. Es gibt also ausreichend Möglichkeiten für ausgedehnte Spaziergänge. Viele Wege führen entlang der Spree. Aber der absolute Hammer war der Kulturpark Berlin am Rande des Plänterwaldes bis zur Wende, der später in Spreepark umgetauft wurde. Jährlich kamen etwa 1,5 Millionen Besucher zu den vielfältigen Attraktionen. Es war das beliebteste Ausflugsziel für Familien in der DDR. Bis der Berliner Senat das Gelände einem windigen Betrüger übergab, der es nach 1990 in Windeseile in den Konkurs trieb. Seitdem verwahrloste der Vergnügungspark, wurde Opfer von Vandalismus und Raub, bis das Unkraut anfing, über die restlichen Bauwerke zu wuchern. Einige wenige alte Fotos zeugen noch vom Glanz der Vergnügungsstätte.
Jetzt begann sich die Grün Berlin GmbH um den Park zu kümmern. Diese Gesellschaft betreibt bereits verschiedene Parkanlagen in Berlin, so auch die Gärten der Welt in Marzahn-Hellersdorf. Wie das so ist in Berlin: jahrelang wurde an Plänen gearbeitet, der gesamte Park einschließlich aller Grünpflanzen und verfallenen Bauwerke inventarisiert. Festgestellt, was weg muss und was erhalten werden kann, Kostenschätzungen beauftragt, Bürger befragt. Darüber gingen Jahre ins Land und gaben der Natur weitere Chancen, sich des Geländes zu bemächtigen.
Mittlerweile hat man den Kampf gegen die Natur begonnen, morsche Bäume abgesägt, Unkraut gejätet und tonnenweise Schutt abgefahren. Aber einen Plan, was man in Zukunft mit dem Park machen will, gibt es immer noch nicht. Selbst ob man das Wahrzeichen des Spreeparks – das Riesenrad – erhalten oder sogar wieder betriebsfähig machen kann, ist noch nicht geklärt. Gute Vorschläge sind noch immer willkommen.
Heute ist der 29. April 2017. Seit Monaten habe ich die Tour durch den ehemaligen Spreepark geplant. Es gibt nur wenige Führungen im Monat, die immer ausverkauft sind. Für heute habe ich schon vor Monaten einige Karten reserviert und freue mich seitdem auf dieses Ereignis. Gestern und vorgestern war gutes Wetter, morgen soll sogar die Sonne scheinen, aber für heute ist Regen angesagt. Großes Pech, denn die gesamte Führung findet im Freien statt. Aber zu Beginn der Führung um 11 Uhr bricht die Wolkendecke auf, ein paar Sonnenstrahlen bahnen sich einen Weg zu uns. Es kann losgehen.
Zunächst geht es in die Reparaturhalle, wo noch einige wenige Figuren der Fahrgastgeschäfte in mehr oder weniger gutem Zustand gelagert werden – der Rest, den man vor Räubern und Vandalen retten konnte. So zum Beispiel einige Schwäne des Wasserkarussells.
Danach gibt es tatsächlich noch eine Attraktion, die man benutzen kann – das Wassertassen Karussel. Allerdings muss man es von Hand anschieben, was aber den Spaß nicht mindert. Einige der Besucher erinnern sich wohl noch an ihre Kindertage, wenn sie sich sofort nach Betreten des Parks und kurz vor der Schließung auf diese Attraktion stürzten. Das Karussell liegt direkt hinter dem ehemaligen Haupteingang.
Die Gleise der Eisenbahn liegen noch, die Haltepunkte sind schon ziemlich marode, aber die Bahn gibt es nicht mehr. An den Schienen entlang kommt man zum englischen Dorf. Das diente schon in einigen Filmen als Hintergrundkulisse. Noch immer wird im Park gedreht, zuletzt einige Szenen des Tatorts am Eingang der Familien-Achterbahn. Die verrosteten Gestänge des Schienenstrangs und der Löwenkopf am Eingang des Tunnels sehen spukig aus.
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Jetzt endlich geht es zum Riesenrad. Keiner hat es für möglich gehalten, aber es dreht sich. Ob wir eine Runde fahren können? Leider weit gefehlt. Aus Schaden ist man klug geworden. Als das Riesenrad festgestellt war, hat ein mächtiger Sturm dermaßen auf die große Fläche gedrückt, dass einige der Gondeln aus ihrer Halterung gerissen wurden und sich beim gegenseitigen Aufprall demolierten. Jetzt lässt man dem Rad freien Lauf. Der Wind treibt es an, aber die gesamte Konstruktion ist so unsicher, dass an einen Fahrbetrieb überhaupt nicht zu denken ist. So bleibt es auch sehr unwahrscheinlich, dass das Riesenrad jemals wieder für Besucher geöffnet werden kann. Die Reparaturkosten wären astronomisch, und bestimmte Teile sind nicht mehr zu beschaffen. Dennoch steht bei allen, die man gefragt hat, der Wunsch nach einem funktionsfähigen Riesenrad an erster Stelle.
Am anderen Ende des Spreeparks stehen die Überreste des Eierhäuschens, einem ehemaligen Ausflugslokal aus dem 19. Jahrhundert. Das hat schon Theodor Fontane in seinem Roman Der Stechlin beschrieben. Daher soll es auch restauriert und wieder eröffnet werden. Vielleicht 2018, vielleicht auch nicht. Bauen dauert seine Zeit in Berlin.