Zugegeben: aus dem ursprünglichen Betonklotz ist mittlerweile ein Bau geworden, dem man das ehemalige Stadtschloss schon ansehen kann. Wenigstens von drei Seiten. Die werden wohl wieder so ähnlich aussehen, wie anno dazumal. Wenn auch auf der Kuppel das ehemalige Kreuz fehlen wird, aus falsch verstandener religiöser Korrektheit. Aber das bleibt ja nicht die einzige architektonische Besonderheit. Die Spreeseite wirkt wie der Eingang zu einem riesigen Shoppingcenter. Da bleibt der Beton so, wie er ist. Während sonst über all die alten Steine, Säulen und Portale wieder rekonstruiert und an den Beton geklebt werden.
Auch das ehemalige Stadtschloss hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Nach dem zweiten Weltkrieg lag es in Schutt und Asche. Die letzten Trümmer wurden beiseite geschafft, um Platz für das Volkskammergebäude und einen Aufmarschplatz zu schaffen. Das war den Regierenden nach der Wiedervereinigung ein Dorn im Auge. Also suchte man nach Asbest in dem Gebäude und fand auch welchen. Grund genug für den Bundestag, einem kompletten Abriss zuzustimmen. Man stützte sich dabei auf Expertenmeinungen, deren Votum allerdings sehr knapp ausfiel.
Nun gab es vor dem Dom zunächst einmal eine große leere Fläche, die genutzt werden sollte. Die Bürger der Stadt Berlin votierten in einem Volksentscheid für die Wiedererrichtung des ehemaligen Stadtschlosses in der ursprünglichen Form. Im Dezember 2007 entschieden sich Senat und Bundesverwaltung zu einer Ausschreibung, die der renommierte Architekt Franco Stella für sich gewinnen konnte. Der Plan sah vor, die Außenfassade an drei Seiten wieder in ihrer ursprünglichen Form zu gestalten. Dazu sollten die wenigen ursprünglichen Teile, die nach dem Abriss außerhalb der Stadt gelagert wurden, verwendet werden. Der überwiegende restliche Teil sollte nachgebaut werden. Die Gesamtbaukosten wurden auf 480 Millionen Euro geschätzt. Davon entfielen 80 Millionen auf die Außenverkleidung. Bund und Senat übernahmen von den Baukosten 400 Millionen Euro. Die Kosten der Verkleidung sollten die Bürger tragen, die sich im Gegensatz zur Verwaltung dieses Schloss gewünscht hatten.
Dieses Mal wollte man alles richtig machen, die Baukosten und den Fertigstellungstermin einhalten. Deswegen ernannte man Manfred Rettig zum Projektleiter. Der hatte schon erfolgreich den Deutschen Bundestag von Bonn nach Berlin umgezogen und bewiesen, dass man ein komplexes Projekt in der vorgesehenen Frist und innerhalb des Budgets vollenden kann. Es ging auch zunächst alles gut. Die Bauarbeiten begannen. Nach dem Richtfest ging auch das Spendenaufkommen der Bürger deutlich in die Höhe, so dass einer glanzvollen Eröffnung des Schlosses nicht mehr im Wege stand. Es gab noch ein kleines Problem, das sich aber mittlerweile zu einem deutlich größeren auswächst. Vor lauter Begeisterung über den Neubau hatte man nämlich vergessen, was da hinter der prächtigen Fassade gezeigt werden solle. Es wurden hunderte von Vorschlägen gemacht, aber alles fügte sich nicht zu einem Gesamtkonzept zusammen. Dafür konnte man schließlich Neil Mc. Gregor, den Kurator des Britischen Museums in London gewinnen, den offensichtlich Angela Merkel sehr präferierte. Der begann seine Arbeit Anfang 2016 mit einer Besichtigung der Baustelle und soll dort bereits eine Reihe von baulichen Veränderungen gefordert haben, ohne dass ein kompletter Nutzungsplan bereits vorlag. Daraufhin legte Manfred Rettig seine Arbeit spontan nieder und begründete dies unter anderem so: „Müsste nur eine Wand verschoben werden, entsteht in den schlimmsten Fällen eine Kettenreaktion. Wenn wir was ändern, haben wir BER“. Mc. Gregor hatte aber beträchtliche Änderungswünsche.
Nun wird das Schloss ohne den erfahrenen Projektleiter weiter gebaut und schon munkelt man: es wird mehr kosten, als geplant. Es wird wahrscheinlich später fertig und es sieht auch etwas anders aus. Aber in Berlin ist das keine Sensation.
Lieber Siegfried, ich finde es immer wieder klasse, wie Du Deine Artikel schreibst. Man ist so richtig dabei. Ligrü Herma
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