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english version below
Wenn man Rudi Hinte und seine Geschichte kennen lernen möchte, muss man ihn im Altersheim anrufen. Dann lässt er sich zum verabredeten Termin zu seiner Wirkungsstätte in der Alten Schule in Adlershof bringen und erzählt aus seinem Leben. Hinte hat erst vor kurzem seinen neunzigsten Geburtstag gefeiert und hat noch viel vor. Er ist die treibende Kraft in der Heimatstube Adlershof, einem Heimatmuseum, das er selber aufgebaut hat. Wie es dazu kam, reicht in das Jahr der Wende zurück: 1991.
Bis dahin war er, was man vielleicht heute einen kaufmännischen Leiter nennen würde. Aber nicht irgendwo, sondern an dem vielleicht bedeutendsten wissenschaftlichen Institut Deutschlands in Hellersdorf. Die Akademie der Wissenschaften wurde bereits im Jahre 1700 durch den Kurfürsten Friedrich III gegründet. Der berief damals Gottfried Wilhelm Leibniz zum ersten Präsidenten dieses Instituts. Schnell scharten sich die bedeutendsten Wissenschaftler der damaligen Zeit um den berühmten Philosophen und Mathematiker und verhalfen im Laufe der nächsten Jahrhunderte der Akademie zu Weltruhm, wozu die erstaunliche Anzahl von bislang 79 Nobelpreisträgern beitrug.
Rudi Hinte war zu DDR-Zeiten dreißig Jahre an der Akademie tätig, zuletzt zuständig für Verwaltung und Personal. Die Machthaber der DDR erkannten den ungeheuren Wert der Grundlagenforschung für die wirtschaftliche Entwicklung des sozialistischen Staates und statteten das Institut immer mit einem großzügigen Etat aus, auch mit Devisen. Viele der notwendigen Forschungseinrichtungen konnten nur in den Ländern des Kapitalismus beschafft werden. Am Institut in Adlershof, damals der Forschungsmittelpunkt der DDR, arbeiteten etwa achthundert der fähigsten Fachleute der DDR. „Wir konnten uns immer die besten Bewerber aussuchen, der Andrang war riesig. Nur in wenigen Fällen gab es auch Vorschläge der Partei“. Der junge Joachim Sauer wurde wegen seiner überragenden Qualifikation eingestellt. Hinte beschreibt ihn als einen äußerst ehrgeizigen und strebsamen Wissenschaftler, der unentwegt nach neuen Ergebnissen forschte und dafür auch ständig Mittel aus dem Devisenfond bewilligt haben wollte. Angela Merkel betrat im Institut die politische Bühne als FDJ-Aktivistin für Agitation und Propaganda.
Aber Hinte redet eigentlich über die Historie, namentlich über Jakob Paul Freiherr von Gundling, der die Nachfolge Leibniz auf Geheiß des Königs Friedrich Wilhem I im Jahre 1718 antrat. Gundling war nicht nur ein begnadeter Wissenschaftler mannigfaltiger Ressorts, sondern auch der Hofnarr und Berater des Königs. Der achtete und verspottete den Gelehrten gleichermaßen. Überliefert ist, dass er ihn in einem Weinfass bestatten ließ. Auch sonst ist so manches Kuriose über Gundling überliefert, so dass hierfür irgendwann eine eigene Story fällig wird.
Es waren nicht nur segensreiche Erfindungen, welche die Akademie berühmt machten. Fritz Haber, der Leiter des Instituts für Physikalische Chemie, entdeckte oder erfand das Senfgas, welches schon im 1. Weltkrieg verheerende Schäden anrichtete. Nach dem Krieg war es verboten, die dafür notwendigen Rohstoffe nach Deutschland zu importieren, sicher zu Recht. Aber die findigen Wissenschaftler umgingen die Notlage und erfanden mithilfe des Haber-Bosch-Verfahrens einen chemischen Ersatz für Ammoniak, der dringend in der Landwirtschaft benötigt wurde. Schon bald entstand die Fabrik Kaulmann in Adlershof, die dieses Verfahren produktiv umsetzte. Obwohl Giftgas bereits nach dem 1. Weltkrieg geächtet wurde, kommt es bis heute immer wieder zum Einsatz.
Nach dem zweiten Weltkrieg stand die Akademie im Osten Berlins und damit in der sowjetisch besetzten Zone. Die sowjetischen Besatzer übergaben die Leitung schon bald in die Hände der DDR. Die baute zügig in Adlershof ein Wissenschaftszentrum auf, welches dann 1990 aufgelöst wurde. Damit war Rudi Hinte arbeitslos, aber auch mit 63 Jahren bereits im rentenfähigen Alter. Er hatte sich schon immer mit seiner näheren Umgebung beschäftigt. Jetzt verfügte er genügend Zeit, die Geschichte des Ortsteils Adlershof zu studieren. Die begann im Jahre 1704. Hundertvierzig Jahre später wollte der Bürgerverein dieses Ereignis gebührend feiern. Hinte arbeitete intensiv an der Vorbereitung und sammelte Dokumente aus alter Zeit, klopfte an Haustüren, sprach mit den Bürgern und konnte somit eine umfangreiche Sammlung aufbauen. Bereits Mitte der 1990er Jahre übergab ihm der Bezirk Räumlichkeiten in der Alten Schule, die nun genügend Platz für seine Sammlung boten. Gleichzeitig wurde das ein Treffpunkt für viele Mitbürger, die ihre Erlebnisse schilderten und selbst neue Dokumente für das Archiv beisteuerten. Hinte hat dort auch sein Büro, in dem er sich seinen historischen Forschungen widmen kann. Seit einigen Jahren gibt er auch wieder regelmäßig zusammen mit anderen begeisterten Bürgern die Adlershofer Zeitung heraus. Die erschien bereits Ende des neunzehnten Jahrhunderts, hat aber die eingeschränkte Pressefreiheit des Dritten Reiches und der DDR nicht überlebt. Inzwischen führte die intensive Beschäftigung mit der Vergangenheit auch zu zwei Büchern über die Geschichte Adlershofs. Der erste Band war im Nu vergriffen und wird Ende des Jahres neu aufgelegt. Für die Geschichte ab 1920 interessierten sich nicht ganz so viele Leser. Dabei gibt es hier viel zu erfahren. So zum Beispiel über die Geschichte der Deutschen Luftfahrt, die ihre Wurzeln auf dem Flughafen hatte. Leider hat man damals die Wichtigkeit der Gebrüder Wright total unterschätzt, so dass sich diese einen neuen Ort für ihre Produktion außerhalb Deutschlands suchen mussten. Aber alte Fotos erinnern noch an ihre Anwesenheit.
Ein wichtiges anderes Kapitel ist der Aufbau des Medienparks während der DDR-Zeit mit dem Schwerpunkt Fernsehstudios. Hier bin ich auch Schnatterinchen und ihren Freunden wieder begegnet, und natürlich auch dem Sandmännchen.
Mit jetzt neunzig Jahren ist Rudi Hinte nicht mehr jeden Tag an seinem Arbeitsplatz. Für wissbegierige Schulklassen steht er immer zur Verfügung. Leider kann Hinte seiner hidtorischen Arbeit nicht mehr weter nachgehen. Er ist im Jahre 2018 verstorben.
Rudi Hinte (english version)
If you want to meet Rudi Hinte, you have to call him in a senior citizen home. He then will make an appointment at his working place at „Alte Schule“ in Adlershof and talk about his life. Hinte celebrated his 90th birthday recently and has still a lot to do. Years ago he founded „Heimatstube Adlershof“, a museum with documents about the city district. Everything began after his retirement in 1990.
Up to then he was, what we would call a director of administration at the most famous Technical Academy of the former German Democratic Republic (GDR). This institution was founded by the emporer Frederic the Third, who nominated Gottfried Wilhelm Leibniz as the first curator. Most of the well-known scientists worked at the academy. Until now a total number of 79 Nobelprize winners worked at the famous academy.
Rudi Hinte was thirty years old when he joined the academy to work at the administration department. During his time he met many important people, amongst them Angela Merkel and her later husband Joachim Sauer. „We employed around eight hundred scientists in Adlershof, and you had to be top of the tops to be nominated. Only a few of our employees could make it, when they were recommended by the political party.“ Hinte remembers Joachim Sauer as a determined person, who was working very hard. He often required extra budgets in foreign currency for technical equipment from western countries. Angela Merkel at that time, as a political person, was in charge of „Propaganda and Agitation“.
But Hinte´s main subject is history now. In 1718 King Friedrich Wilhelm I nominated Paul Freiherr von Gundling as the the successor of Leibniz at the Academy. Gundling was a respected scientist of economy and other subjects and an advisor of the king. But the king was very jeaulous about Gundling´s intelligence. That is why he made him to his jester and look foolish wherever it was possible. When Gundling died, the King ordered to burry Gundling in a wine barrel. Gundling´s life is worth an extra story, which I am going to tell later.
Sccientists at the academy made not only benefical inventions. Fritz Haber, the head of Physical Chemestry, invented chlorine gas, which had a devastating effect in Worldwar I. After Germany lost the war, it was not allowed to import the raw material for the gas into the country, But this was also urgently needed as a fertilizer on farmlands. Scientists at the academy invented a chemical procedure to allow an economical manufacturing of ammonia in bigger amounts, called Haber-Bosch Process. The use of Chlorine Gas for military purposes ist is outlawed worldwide since 1915. But we still read about victims in various countries, such as Syria.
After Worldwar II the academy´s headquarter was in the east of Berlin and under Russian control. But soon the new government of the GDR took over the leadership. They buildt a new centre of science in the neighbourhood of Adlershof, a suburb of Berlin, which exists until 1990, the year of the unification. Rudi Hinte lost his job, but apllied for early retirement at the age of 63. As he worked almost all his life in Adlershof, Hinte developed a close relationship to the city. He started to collect information about the history, went from door to door and talked to the old people. Many of them gave him valuable documents. After a while of continous collection he had enough material to exhibit it for a special anniversary: the foundation of the city 140 years ago.
Around 1995 Hinte got some rooms at the „Alte Schule“, where he could show his documents and research. This was the base of the „Heimatmuseum Adlershof“. He and some other exited people reanimated the „Adlershofer Zeitung“ on a monthly base. That used to be a newspaper in th late nineteenth century. His continous studies made it possible to publish two books about Adlershof´s history. The first issue was sold out very fast and will be reprinted and distributed before Christmas 2017.
Two major events beside the academy characterize the importance of Adlershof. One was the near-by airport, home of the German aviation start-up-industry. Old photos at the museum show the base of the Wright brothers. They left Germany after a short period of time and became successful overseas. Another part of the Museum shows the success of the Eastgerman broadcasting and the stars. I met Schnatterinchen and her friends there and Mr. Sandmann of course.
Rudi Hinte died a couple of weeks after my interview.