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Es ist wieder einer dieser wenigen heißen, trockenen Sommertage. Leise schnurren die automatischen Sprinkler, Gärtner schneiden den Rasen. Dabei sieht der so aus, als sei er erst gestern gemäht worden. Derweil packt die Gattin die Golfschläger in den schneeweißen Cayenne in der weit geöffneten Garage. Daneben steht der schneeweiße 911er des Ehegatten. Dahlem muss man sich leisten können. Aber der alte Geldadel stirbt aus und vererbt den Besitz an Nachkommen, die das schnelle Geld wollen. So wird überall abgerissen, damit Platz für viele Luxus- Appartments im Einheitslook des Neo Bauhausstil geschaffen wird. Dort, wo früher nur ein einziges Haus stand. Die ehemals hohen Zäune, die den Blick auf das Eigentum verdecken, weichen. Die neuen Besitzer wollen, dass man ihren Reichtum sieht.
Es ist schon wieder Wahlzeit. Die FDP hat bereits alle Bäume am Straßenrand für ihre Werbung beschlagnahmt. Wenn sie in Berlin Erfolg haben will, ist hier der richtige Ort. Christian Linder behauptet, dass Schulranzen und nicht Aktentaschen die Welt verändern werden. Dabei blickt er mich in seinem weißen Hemd nicht an, sondern schaut nach unten, wo er etwas Unsichtbares mit seinen beiden Händen bedient. Ich mag es nicht, wenn Menschen mit mir diskutieren wollen und gleichzeitig ihr Handy benutzen. Außerdem muss man das Problem nicht umschreiben. Eigentlich wollte Lindner doch sagen, dass einige unserer Manager gerade die Zukunft Deutschlands verspielen und er auf die nächste Generation hofft. Ob er sich da mal nicht irrt. Die werden trotz Bildung genauso rumzocken, skrupellos jede Gewinnchance nutzen und völlig empathiefrei agieren. Religionsunterricht wäre vielleicht eine Alternative: Du sollst nicht stehlen, nicht töten, nicht betrügen und kein falsches Zeugnis ablegen. Es gibt nur einen Gott. Von Mammon ist nicht die Rede.
Christoph Meyer von der Berliner FDP feiert sich schon als Tegelretter. Dabei findet die Volksabstimmung darüber erst zur Bundestagswahl statt. Aber Dahlem ist ein guter Platz für dieses Thema. Hier gibt es keinen Fluglärm. Der Weg nach Brandenburg zum neuen Flughafen ist weit. Da verliert man viel Zeit auf dem Weg ins Zweithaus auf Mallorca. Wer in Tegel oder Spandau wohnt, setzt andere Prioritäten. Daher ist es mehr als ungewiss, ob der Flughafen in Tegel wirklich gerettet wird, selbst bei großer finanzieller Unterstützung durch Ryanair. Die haben überall in der Stadt Plakate geklebt. Eine etwas ungewöhnliche Unterstützung der politischen Meinungsbildung. Der Senat in Berlin sieht das Thema anders, und der steht nicht zur Wahl.
Dass es in Dahlem eine Rudi-Dutschke-Straße gibt, ist zunächst verwunderlich. Den Revoluzzer hätte man in dieser wohlhabenden Gegend eher nicht vermutet. Aber offensichtlich setzt die hier ansässige Technische Universität ihm ein Andenken. Wenn er nicht mit Revolte beschäftigt war, hat er hier studiert. Allerdings hat man auch nicht übertrieben und nimmt Rücksicht auf die Anwohner. Die Straße ist nur eine kurze Sackgasse neben dem Uni- Gebäude und endet im Studierenden-Parkhaus.
Die Domäne Dahlem und die alte Dorfkirche in der Nähe der U-Bahn-Station Dahlem Dorf sind ein beschaulicher Kontrapunkt zu der sonst dominierenden gärtnerisch gepflegten Wohlstandsansammlung. Seit Jahren kultiviert die Domäne den natürlichen Anbau von Obst und Gemüse, sowie die artgerechte Haltung von Tieren. Sie ist ein BIO-Bauernhof in Gestalt eines Freilichtmuseums. Viele ausgedehnte Touren über das Gelände kann man zu Fuß oder mit dem Rad erkunden. Im Sommer laden die Streuobstwiesen zu einem Picknick ein, das man sich im Hofladen selbst zusammenstellen kann. Wer seine Decke vergessen hat, kann die mitgebrachten Stullen auch im Biergarten verzehren. Das ist dann ein schöner Kontrast zu den feudalen Grillpartys hinter hohen Hecken, mit Champagner und dry-aged beef.
Tipps:
Restaurant „Alter Krug“, Königin-Luise-Straße 53, gegenüber der Domäne. Der Biergarten ist riesig und teilweise schattig, der Gasthof sehr gemütlich und stilvoll. Die Preise liegen etwas über Berliner Niveau, sind für Dahlem aber angemessen
Für den Besuch der staatlichen Museen muss man sich beeilen, da die Sammlungen mit der Eröffnung des Humboldt-Forums in die Innenstadt umziehen.
Natürlich die Domäne Dahlem. Bringt genügend Zeit und Muße mit.
Die Dorfkirche mit ihrem Friedhof