Wenn es um die Einhaltung von Gesetzen geht, kann der Berliner Senat hart und schnell durchgreifen. Also, wenn die Gesetze von Bürgern nicht befolgt werden. Die Bürger Berlins haben dafür volles Verständnis. Wenn ich denen die Geschichte des Rentners Reinhold G. erzähle, können sie darüber nicht so lachen wie ich. „Wo kämen wir denn hin, wenn das jeder so machen würde?“. Na, erstens macht das nicht jeder. Und zweitens sollten es viel mehr Menschen machen. Aber das ist nur meine unmaßgebliche Meinung.
Besucher der Stadt Berlin, um ihr Urteil über den Zustand des Stadtgebietes von Berlin gefragt, kämen wohl übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass es durchaus Gegenden auf der Welt gibt, die einen freundlicheren, saubereren und gepflegteren Eindruck hinterlassen, als diese Stadt. Natürlich geht es immer auch noch schlimmer. Aber wir reden hier von einem Land, das zu den reichsten der Welt gezählt wird. Weder scheinen Besucher und Bürger für ihren Müll immer den Weg zum nächsten Abfallbehälter zu finden, noch verwenden städtische Betriebe zu viel Aufwand auf die Beseitigung desselben. Von Verschönerung wollen wir erst gar nicht reden.
Da ist es eigentlich löblich, wenn einige Bürger die Initiative selbst in die Hand nehmen und uneigennützig selbst zur Verschönerung beitragen. Nur wenige Stadtmenschen verfügen über einen eigenen Garten. Da bemächtigen sie sich der öffentlichen verwahrlosten Grünflächen und pflanzen dort Buntblüher an. Die Stadt sieht zwar nicht die Verwahrlosung der in ihrer Obhut befindlichen Grünflächen. Sie erkennt aber sofort, wenn sich da Bürger unbefugt mit Verschönerung beschäftigen. Und geht rigoros dagegen vor. So erst in diesem Jahr am Prenzlauer Berg, wo sie nicht etwa neue Blumen pflanzte, sondern die gepflanzten wieder herausriss. Sehr zum Unmut der Anwohner, die das publik machten und vom Tulpenkrieg schimpften. Die Stadt gelobte Besserung. Was sie bei negativer Presse immer sofort tut. Aber den Mitarbeitern in der Behörde ist das völlig egal. Wenn die einen Bürger aufgrund bestehender Gesetzeslage ärgern können, dann tun sie das auch.
So traf es noch im gleichen Jahr Reinhold G., der im Bezirk Hellersdorf-Marzahn als Rentner am Kümmerower Ring lebt. Das ist nun wirklich nicht die allerbeste Gegend in Berlin. Eigentlich wollte er seinem gärtnerischen Hobby in einer Kleingartenanlage nachgehen. Aber obwohl ein Grundstück frei war, wollte man den Aussiedler aus Russland dort nicht haben. Also fasste er vor fünf Jahren den Entschluss, den vor seinem Haus ziemlich verwahrlosten Teil zu verschönern. Er lockerte den Boden, pflanzte Blumen und Kürbisse, baute Nistplätze für Singvögel und bat beim Grünflächenamt um die Genehmigung. Die erlaubten ihm die Bepflanzung mit bis zu 600 Frühlingsblühern. Nachgezählt hat das nie jemand. Bis es einigen Nachbarn nicht gefiel, die sich darüber beschwerten, dass der Blütenstaub der Rosen sich in ihren Zimmern ausbreitet. Vom feinstaub der stark befahrenen Straße war nicht die Rede. Nun wird das Bezirksamt tätig. Reinhold G. wird vom Grünflächenamt besucht. Danach wird angeordnet, dass die Gärten bis Ende November zurück gebaut werden. Sichtbehinderungen seien möglich, der Verkehr könne beeinträchtigt werden, im Übrigen seien die Grundstücke Eigentum der gesamten Öffentlichkeit. Reinhold G. ist enttäuscht, aber nicht mutlos. Er macht das Beste, was man in seiner Situation machen kann. Er wendet sich an die Berliner Zeitung. Bevor die auf ihrer besonderen Seite drei einen ausführlichen Bericht schreibt, wendet sie sich mit Fragen an die zuständigen Behörden. Die Antworten werden herausgezögert. Es dauert. Aber es wird der notwendige Druck aufgebaut. Schließlich antwortet Bezirksstadtrat Johannes Martin, dass man eine gemeinsame Lösung mit Reinhold G. anstrebe und ein Kompromiss gefunden werden solle. Ob das tatsächlich passiert ist, werde ich mir im nächsten Frühling anschauen und hoffe, Reinhold G. bei der Bestellung seiner Beete anzutreffen.
Ich hätte übrigens einen Vorschlag: Gebt dem Rentner einen Minijob. Dann verschönert er einen, wenn auch nur kleinen, Teil Berlins zum Nutzen des Gemeinwohls und erfüllt noch gleichzeitig die Pflichten des Gartenbauamtes.
(Nach einem Artikel der Berliner Zeitung vom 29.11.2017)