
Grunewald ist der Ortsteil mit den pompösen Villen, versteckten Seen und den ausgedehnten Waldgebieten. Es ist das Erholungsgebiet der Berliner schlechthin und der Rückzugsort für die Superreichen. Grunewald muss man im Frühling erleben, wenn sich die ersten Blüten in den teils wilden Vorgärten zeigen und der Wald ergrünt.


Oder aber im Winter, wenn dann tatsächlich der Waldboden von Schnee bedeckt ist.

Ich war zu jeder Jahreszeit dort, aber hauptsächlich im Herbst. Es ist eigenartig. Aber immer, wenn ich bei den Reichen und Schönen herumwandere, sind Wahlen. Wie schon in Dahlem sind alle Laternenpfähle und Bäume mit Wahlplakaten ausschließlich der AfD und FDP behängt. Dass die beiden Parteien ihr ganzes Geld gerade hier und zum Beispiel nicht im Wedding verpulvern, hat seinen Grund. Offensichtlich ist es in Grunewald besser angelegt. Der erste Preis für den dümmsten Spruch geht unangefochten wieder an die FDP. „Weil wir Europa lieben, wollen wir es verändern“. Das ist ähnlich bescheuert, wie „Weil ich meinen Ehemann liebe, will ich ihn verändern“. So etwas führt fast immer zu unerwarteten Komplikationen, wie im besten Fall Scheidung, oder aber Mord und Totschlag.

Die Europa-Abgeordnete Nicola Beer beugt sich mit leicht fahlem Gesicht etwas nach vorne, als ob sie über ihren eigenen Spruch gleich kotzen müsste. Ihre Plakate hängen zielgenau dort, wo sie was bewirken. In dem Neubaugebiet für die nicht ganz so Reichen, die hier noch für eine Million Euro eine Doppelhaushaushälfte erwerben können.

Also schnell weg und hin zu den prächtigen Villen aus der Zeit, wo dieses Viertel ausschließlich den Superreichen vorbehalten war, die fernab der Großstadt ihr ausschweifendes Leben ungeniert und unbeobachtet zelebrierten. Walther Rathenau, Industrieller und später Politiker, war einer der ersten, der hier siedelte. Ihm folgten Bankiers und die Creme des deutschen Geldadels. Genützt hat ihm das nichts. Im Alter von 51 Jahren lauerte ihm ein Rechtsradikaler auf und erschoss ihn, weil er ihn für einen jüdischen Vaterlandsverräter hielt. Ein Denkmal an der Stelle des Attentats erinnert an Rathenau.

Ein Spaziergang durch das Villenviertel von Grunewald ist nichts für Menschen, die der Todsünde Neid verfallen sind. Die werden spätestens nach einer halben Stunde einem Herzschlag erliegen. Das muss man ganz entspannt angehen und sich darüber freuen, wieviel Schönes man der Nachwelt hinterlassen kann, wenn die entsprechenden Mittel verfügbar sind.

Wer die Natur liebt, macht vielleicht besser einen ausgedehnten Spaziergang durch den Grunewald selbst. Mein Lieblingsort ist der Teufelsberg. Auf dessen Spitze hatten die Amerikaner eine Abhörstation errichtet, die aber dem Ende des Kalten Krieges zum Opfer fiel. Heute sind dort nur noch Ruinen, von denen aber verschiedene Künstler Besitz ergriffen haben. Wenn man eines der Gebäude ersteigt, wird man mit einem fantastischen Blick über Grunewald und Wannsee belohnt. Aber auch die Graffitis sind den mühsamen Aufstieg wert.

Über die Havelchaussee gelangt man zum Grunewaldturm. Wenn man ihn besteigt, hat man noch einmal einen etwas anderen Blick über den Wannsee.

Sollte man von der langen Wanderung schon so erschöpft sein…..

…….. bietet sich vielleicht eine kleine typisch berlinerische Verzehrpause an.

Vorsicht im Sommer! Geht man weiter bis zur Heerstraße, wird die Stille des Waldes jäh von ohrenbetäubendem Lärm gestört. Eine lange Schlange jugendlicher Badegäste steht für die Fähre an, die sie geradewegs auf eine Insel im Wannsee bringt. Wer sich den Flug nach Arenal nicht leisten kann, der findet hier bei schönem Wetter Party durchgehend. Aber keine Angst. Nach ein paar Minuten wird es wieder ruhig und idyllisch.

Grunewald ist auch ein Zeugnis der verheerenden Nazi-Herrschaft. Vom gleichnamigen Bahnhof wurden die jüdischen Mitbürger in die Konzentrationslager geschickt. Am Gleis 17 wurde für sie ein Mahnmal errichtet, welches durch seine Schlichtheit imponiert. Von hier kann man dem Gleis mit den Augen folgen und sich vorstellen, wie es damals war, als abertausende Juden den Weg in den Tod antraten.
