
Das Bild ist ein Witz. Dieses Haus steht zwar in Wilmersdorf, ist aber beileibe nicht repräsentativ. Wilmersdorf ist wirklich kein Dorf, sondern eine Stadt in der Stadt. Der Namensanhang bezieht sich auch gar nicht auf eine ländliche Idylle, sondern stammt vom ehemaligen Besitzer dieses Fleckens, der Familie Wilmerstorff. Die besaß dieses Stück Land bereits im zwölften Jahrhundert. Lange Zeit, bevor man hier siedelte. Über Jahrhunderte wohnten dort weniger als tausend Menschen. Mit der aufkommenden Industrialisierung jedoch wurde der Platz knapp in Berlin. Überwiegend die reicheren Leute suchten sich Grundstücke in den Vororten. Zunächst hauptsächlich im Grunewald. Mit der Erschließung durch den Nahverkehr, S- und U-Bahn, siedelten sich aber auch Familien aus dem gehobenen Mittelstand in Wilmersdorf an. Clevere Geschäftsleute hatten rechtzeitig große Gebiete aufgekauft, die sie jetzt zu riesigen Gewinnen veräußern konnten.
Für die Stadtplaner eröffnete sich eine einmalige Chance. Sie konnten auf einer leeren Fläche eine neue Stadt konzipieren. Das gelang ihnen auch vortrefflich. Anton Wilhelm von Carstenn entwickelte eine Planung, die vier symmetrisch angeordnete Parks durch eine Hauptachse teilt. Eine Straße führt an allen Parks vorbei. In der Mitte treffen sich Straßen aus allen Himmelsrichtungen. Diese Idee wurde zum ersten Mal in Wilmersdorf umgesetzt und später sowohl in Berlin, als auch in anderen Hauptstädten Europas aufgegriffen.

Die komplette Bebauung ist großstädtisch, also wie in Berlin damals üblich, fünfstöckig. Leider kann man die Idee Carstenns nicht mehr nachvollziehen. Es gibt die Plätze noch. Aber nach dem Zweiten Weltkrieg gab es große Schäden. Aus Rücksicht auf den aufkommenden Autoverkehr wurden viele Straßen begradigt.
Späte Liebe zu Wilmersdorf? Ich kann das erklären. Wenn man durch den Stadtteil wandert, fallen immer wieder die Bausünden der fünfziger Jahre ins Auge. Überbaute Autobahnzufahrten, weil man wegen der Wohnungsnot nach oben ausweichen musste. Teile der Ringautobahn, die die Stadt zerteilen. Verbreiterte Straßen, die den Verkehr flüssig gestalten sollen. Schreckliche Nachkriegsarchitektur, selbst bei Kulturbauten. Man braucht den zweiten Blick und auch den dritten. Manchmal trifft der einen mitten ins Herz.
Überall im Stadtteil trifft man auf die Geschichte. Vor 1933 waren fast 14 Prozent der Einwohner Juden. Im mächtigen Goethe Gymnasium und den anderen Bildungseinrichtungen waren dreißig Prozent der Schüler jüdischen Glaubens.

Tafeln im gesamten Stadtgebiet weisen darauf hin, was mit ihnen nach 1933 passiert ist. Dort ist dokumentiert, wann Juden ihre Pelzmäntel, wann ihren Schmuck und ihre Wollsachen abzuliefern hatten. Oder wann es keine Lebensmittel mehr für sie gab. Aber auch, dass 1936 während der Olympischen Spiele alle öffentliche Judenhetze zu verbergen sei. Je länger man mit diesen Tafeln zubringt, desto klarer wird die perfide Methode der Ausrottung eines großen Teils der deutschen Bevölkerung.

Große Namen der deutschen Kultur haben in Wilmersdorf gewohnt: Erich Kästner, Berthold Brecht, Thomas Mann, Marlene Dietrich, um nur einige wenige zu nennen. Sie alle haben unser Land verlassen, um dem Naziterror zu entfliehen. Aber es gab hier auch Menschen, die den Verfolgten halfen, ihnen Unterschlupf gewährten oder sogar bei der Flucht halfen, wie ein schwedischer Diplomat, der Möbel in sein Heimatland transportierte und darin Menschen versteckte.
Was ich an Wilmersdorf besonders liebe? Wie verschiedene Religionsgemeinschaften friedlich miteinander zusammen leben.



Die wunderschönen naturbelassenen Parkanlagen ……….

….. und als Wiesbadener natürlich das Rheingauviertel.

